Kommentar der Woche: Neue Lehrer braucht das Land

Veröffentlicht am 26.09.2008 in Politik
Richard Dipper

26.10.2008

Pisa räumte vor etwa zehn Jahren gründlich mit der gern gehegten Illusion auf, das deutsche Bildungssystem sei das Beste der Welt. Seitdem wird hierzulande über Bildung diskutiert. Unser Schulsystem einschließlich Hochschule und vorschulische Erziehung und Bildung stehen auf dem Prüfstand. Natürlich ist nicht alles schlecht am deutschen Bildungssystem. Im Bereich der Qualifikation der Lehrerinnen und Lehrer lassen sich durch Qualitätsmanagement und Fortbildung durchaus Fortschritte beobachten. Es gibt zahlreiche innovative Kolleginnen und Kollegen, denen es gelingt, gute und hervorragende Arbeit an ihren Schulen zu leisten. Aber der von der Mehrzahl der Bildungswissenschaftler und auch von der SPD gewollte pädagogische Paradigmenwechsel an unseren Schulen muss Konsequenzen für die Ausbildung künftiger Lehrerinnen und Lehrer haben.

Darum geht es in einem Aufsatz von Rektor Baumann und mir. (PDF)

Rektor Baumann war einer der Experten, die im Mai in einer Podiumsdiskussion im OHG Nagold über die Verkürzung der Gymnasialzeit von neun auf acht Jahre diskutierten. Er leitet das Gymnasium Wilhelmsdorf bei Ravensburg. Wir haben uns zusammen getan und gemeinsam über eine Reform der Lehrerausbildung nachgedacht. Herausgekommen ist ein Aufsatz, den Sie als pdf-File herunterladen können, wenn Sie dem Link oben folgen. Wir wollen neue Schulen, deren Grundphilosophie nicht ist, Hürden zu errichten, über die die Kinder und Jugendlichen springen müssen, um weiter zu kommen und in der die Versager schlicht nach unten, wenn es sein muss, bis in die Restschule weitergereicht werden. Wir wollen neue Schulen, in denen nicht Fächer unterrichtet werden, sondern Kinder und Jugendliche. Wir wollen weg von der Gleichschrittpädagogik hin zum individuellen Fördern und Fordern. Darauf werden derzeit die Lehrerinnen und Lehrer in den Schulen, die Erzieherinnen und Erzieher in den Kindergärten in ihrer Ausbildung nicht vorbereitet. Es ist klar, dass die neue (Vor)Schule nur auf der Grundlage einer gründlichen Reform der Ausbildung des Lehr- und Erziehungspersonals entstehen und effektiv arbeiten kann. Kurz, für den Paradigmenwechsel im Bildungssystem brauchen wir neue Lehrer. Die Chancen stehen günstig, dass sich hier etwas tut. Denn zurzeit wird das Hochschulstudium umgekrempelt, die alten ehrwürdigen Studiengänge mit Abschluss „Diplom“ bzw. „Magister“ werden durch neue, gestufte Studiengänge ersetzt. Zuerst muss man jetzt einen dreijährigen Studiengang absolvieren, der mit dem akademischen Grad „Bachelor“ abgeschlossen wird. Nur die Besten dürfen dann in den zweijährigen Studiengang, der mit dem „Master“ abschließt. Angeblich soll das europaweit die Hochschulabschlüsse vergleichbar machen. In der Praxis sind nun die Studiengänge in den Ländern, z.B. in Hessen und in Baden-Württemberg nicht mehr vergleichbar. Das Ganze nennt sich Bologna-Prozess, nach dem Ort, wo die ganze krause Idee geboren und zwischen den EU-Ländern vereinbart wurde. Diese Umstellung, wie immer man dazu steht, lässt sich aber nicht mehr zurückdrehen, sie ist weitgehend vollzogen und eine Rolle rückwärts zu den alten Studiengängen ist praktisch nicht mehr zu machen. Ist eine Realität geschaffen, sollte man nicht vergangenen Träumen nachhängen, sondern nach vorne schauen. Das Staatsexamen für die Lehrer ist aber noch nicht umgestellt. Andrerseits brauchen wir, wie oben begründet, den pädagogischen Paradigmenwechsel vom Kindergarten bis zum Abitur. Der Bolognaprozess mit seinen vertraglichen Verpflichtungen bietet eben auch die einmalige Chance, die Ausbildung von Lehrern und Erzieherinnen ganz neu zu überdenken und grundlegend neu zu gestalten. Rektor Baumann und ich haben uns Gedanken gemacht, wie man dies im Rahmen von gestuften Studiengängen konkret umsetzen könnte. Dabei ließen wir uns von den folgenden Grundideen leiten:
  • Kindergärten und –Tagesstätten haben nicht nur eine Betreuungsaufgabe, sondern auch einen Erziehungs- und Bildungsauftrag. Daher brauchen wir die Akademisierung der Ausbildung unserer Erzieherinnen und Erzieher (zumindest für die Leitungsaufgaben).
  • Wir müssen weg vom Schulartlehrer. Wollen wir ernsthaft längeres, gemeinsames Lernen, so brauchen wir den Stufenlehrer. Dabei sollten der Vorschul- und der Primarbereich miteinander verzahnt werden, ebenso wie Sekundarstufe I und II.
  • Das Studium unseres zukünftigen Lehrpersonals braucht eine deutliche Pädagogisierung. Die Erziehungswissenschaftliche Teile des Studiums müssen quantitativ und qualitativ ausgebaut werden.
  • Dies darf (besonders für die Sekundarstufenlehrer) nicht auf Kosten der fachwissenschaftlichen Ausbildung gehen.
  • Der Bolognaprozess muss ernst genommen werden. Der Bachelorabschluss nach den ersten drei Jahren muss berufsqualifizierend sein. Schließlich sollen nur die Besten bis zum Master weiterstudieren, um Lehrerin bzw. Erzieher zu werden. In Finnland kommen auf einen Studienplatz für das Lehramt sechs Bewerber(innen), obwohl Lehrer in Finnland wesentlich weniger verdienen, als ihre Kolleginnen in Deutschland.
Herausgekommen ist ein konkretes Modell, das, wie wir glauben, allen diesen Anforderungen genügt. Dieses Modell im Detail zu schildern, würde den Rahmen eines Wochenkommentars sprengen. Wenn Sie mehr wissen wollen, finden sie die genaue Beschreibung und Begründungen im oben erwähnten Aufsatz. (Download, PDF) Ganz herzlich Dipper Richard Dipper
 
 

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