SPD-Gemeinderatsfraktion zur Haushaltsverabschiedung am 31. Januar 2012

Veröffentlicht am 02.02.2012 in Gemeinderatsfraktion

Rede der SPD-Gemeinderatsfraktion zur Haushaltsverabschiedung am 31. Januar 2012

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
liebe Kolleginnen und Kollegen im Gemeinderat,
meine Damen und Herren,

unverzagt ist unsere Fraktion in die Haushaltsberatungen dieses Jahres gegangen. Unverzagt stehen wir auch heute vor der Verabschiedung des Etats für das Jahr 2012. „Unverzagt ist ein schöner Begriff, finde ich. Er macht Mut, er zeigt aber auch etwas von gutem Trotz“, diese Worte stammen von Margot Käßmann, der ehemaligen Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche Deutschlands. Mutig und etwas trotzig muss man sein, wenn man die Gemeindepolitik mitbestimmen will. Mutig, weil es zunehmend schwieriger wird bei immer engeren finanziellen Spielräumen noch gestaltend eingreifen zu können – aber wann war es eigentlich nicht schwierig? - trotzig, weil man nicht immer stromlinienförmig allem zustimmen sollte. Bisweilen muss man auch anregen, anstoßen, verhindern und warnen. Vor allem aber gilt es, Perspektiven aufzuzeigen. Die SPD-Fraktion will versuchen, anhand einiger Beispiele deutlich zu machen, wo wir bereits auf dem richtigen Weg sind und in welchen Bereichen noch Navigationshilfe nötig ist.

Freuen wir uns zunächst über das, was wir haben und worauf wir auch künftig nicht verzichten wollen: Das sind Einrichtungen wie Schülerhort, Kernzeitenbetreuung, Jugendhaus, Trinkhalle, Kurtheater, Jugendzeltplatz, Hallen- und Freibad, Heimatmuseum, Jugendmusikschule, Volkshochschule, Stadtbücherei, eine Fülle von Fördervereinen und Organisationen, die sich für die Allgemeinheit einsetzen, kulturelle und sportliche Angebote in Hülle und Fülle und vieles mehr. Freiwilligkeitsleistungen nennt man dies, doch so ganz freiwillig darf das nicht sein.

Freuen wir uns dann über das, was wir demnächst erhalten werden oder vielleicht irgendwann einmal bekommen werden: Da ist ein teures Feuerwehrhaus, das zwischen Wildbad und Calmbach entsteht., vielleicht sogar bald mit Rotkreuz-Wache. Auch wenn wir das alles an einem anderen Standort lieber gesehen und billiger bekommen hätten, so sind wir doch dem begleitenden Ausschuss sehr dankbar, der erreicht hat, dass die Finanzierung nicht völlig aus dem Ruder gelaufen ist. Doch schon jetzt weisen wir darauf hin: Sorgen Sie dafür, sehr geehrter Bürgermeister Mack, dass rechtzeitig und vorausschauend Verkehrsregelungen getroffen werden, mit denen es dort zu keinen ernsthaften Problemen kommt.

Wenn es nach diesem Gremium geht, wird auch in diesem Jahr die Calmbacher Ortsdurchfahrt (B 294) saniert. Die Anlieger an der Höfener Straße warten schon lange darauf und bitten uns fast flehentlich darum, dass die Situation entschärft wird. Wenn die entsprechenden Zuschüsse fließen, kann es losgehen. Allerdings heben wir auch hier warnend den Finger: Unsere Anträge zu einer fußgänger-, behinderten- und fahrradfreundlichen Ortsdurchfahrt sind bisher noch genauso wenig diskutiert worden wie unsere Vorschläge zur Umleitungsstrecke. Selbstverständlich macht es Sinn, mit einem Kreisverkehr auf der Faaß-Abzweigung zur Verkehrsberuhigung beizutragen. Doch selbst wenn dieses wichtige Detail kostenmäßig scheitern sollte, darf man nicht aufgeben. Dann wäre Fantasie gefragt: Durch Mittelinseln oder Fahrbahnverengungen ließe sich auch dann noch kostengünstig viel Positives erreichen.

Die Würzbachtalstraße wird ja dank finanzieller Beteiligung der Gemeinde Oberreichenbach nach jahrzehntelangem Warten endlich saniert. Dabei zeigt sich: Beharrlichkeit zahlt sich aus.

Wir wünschen uns auch einen Erwerb des ehemaligen Hotels Birkenhof in Calmbach durch die Stadt, was Chancen für Wohnungs- und Verkehrsplanungen eröffnen würde und womit endlich dieser Schandfleck beseitigt werden könnte.

Die Sanierung des Gebiets Wilhelm-, Bismarck- und Kochstraße muss ein weiteres Jahr warten. Die Planungsphase sollte man dazu nutzen, nicht teure Luftschlösser zu entwerfen, sondern sich zu überlegen, ob vieles auch eine Nummer kleiner geht. Untersuchen Sie bitte, Herr Bürgermeister und Herr Stadtbaumeister, ob eine Sanierung auch ohne Verlagerung des Bauhofs möglich ist. Bedenken Sie ebenfalls, dass das Wort Sanierungsgebiet nicht Abrissgebiet bedeutet und prüfen Sie, ob die Erneuerung von Häusern Stück für Stück realisierbar erscheint, eventuell unter Beteiligung interessierter und investitionswilliger Bürger, junger Familien und Handwerker.

Dass in diesem und wohl auch im nächsten Jahr die Erschließung eines Neubaugebiets Laienbergstraße in Wildbad nicht auf der Agenda steht, löst nicht bei all unseren Fraktionsmitgliedern Traurigkeit aus. Auch hier sollten die kommenden Jahre genutzt werden, aufzuzeigen, ob ein Bedarf gegeben ist und welche Alternativen in Frage kommen.

Weit oben auf der Prioritätsliste stehen bei uns Bildungsfragen. In diesem Zusammenhang ist es erfreulich, dass uns das Land für dieses Jahr 330 000 Euro zusätzlich für die Kindergärten und die Kleinkindbetreuung bewilligt. Wenn wir uns nicht sputen, schaffen wir es nicht bis zum nächsten Jahr, der Vorschrift gerecht zu werden, genügend Krippenplätze zur Verfügung zu stellen.Dafür gibt es ja bekanntlich einen Rechtsanspruch. Selbst wenn wir hier nicht tätig werden müssten, sagen wir: Investitionen in die Bildung zahlen sich aus. Hinzu kommt eine bessere Auslastung der Kindergärten angesichts rückläufiger Kinderzahlen. Da würde es dann gut ins Bild passen, wenn wir auch – wie andere Städte und Gemeinden – eine Bildungskonzeption hätten, die das Land überzeugt. Durch eine Gemeinschaftsschule oder Ganztagesschule und durch ein Gymnasium, das sowohl einen acht- als auch neunjährigen Zug anbieten würde, könnten wir finanzielle Mittel und Schüler bekommen und die Attraktivität der Bildungsstadt weiter erhöhen. Das Gebot der Stunde lautet folglich: Zuerst müssen wir wissen, was wir bildungspolititsch wollen und erst dann sollten wir uns überlegen, wie wir die vorhandenen Schulgebäude nutzen und nicht umgekehrt – wie es jetzt aussieht. Die Bereitstellung von Mitteln für die Beschäftigung eines Schulsozialarbeiters für die Calmbacher Schulen begrüßen wir außerordentlich.

Klar, dass auch bei Spielplätzen nicht gespart werden darf. Es ist ein Trauerspiel, dass der seit Jahren geforderte zusätzliche Spielplatz in Calmbach noch immer auf unserer Wunsch- und Dringlichkeitsliste ganz oben steht. Nun müssen wir leider zur Kenntnis nehmen, dass das vorgesehene Projekt Kleinkinderspielplatz an der Ecke Gauthierstraße/Calwer Straße/Lindenplatz offenbar an Grundstücksproblemen gescheitert ist. Wir sind froh, dass im Wege der Verständigung in der Haushaltsvorberatung unser Antrag angenommen worden ist, die im Vorjahr bereitgestellten 30 000 Euro wieder vorzusehen, dann aber wenigstens für die gründliche Verbesserung und Neugestaltung eines bestehenden Spielplatzes in Calmbach, beispielsweise im Parkgelände an der Wildbader Straße.

Mit großem Beifall haben wir, sehr geehrter Herr Bürgermeister Mack, im Vorjahr ihre umfassenden Vorschläge für eine Energiewende in Bad Wildbad zur Kenntnis genommen, mit denen Sie nach der Katastrophe von Fukushima eine Forderung der SPD-Fraktion umgehend zu Papier gebracht haben. Nur darf es nicht bei einem Papiertiger bleiben. Wir könnten in dieser Überlebensfrage für die Menschheit zumindest in der Region vom Hinterbänkler zum Schrittmacher

werden, wenn diese Überlegungen auch zügig umgesetzt würden. Manches ist sicher schwierig, anderes dafür einfacher und andernorts längst Standard. So schwer kann es nicht sein, kommunale Dächer für Fotovoltaikanlagen zur Verfügung zu stellen – selbst in Enzklösterle wurde dies in der letzten Woche beschlossen - oder Schritt für Schritt alte Heizungen auszutauschen, wenn ohnehin Sanierungen anstehen. Auch Windkraftanlagen in konzentrierter Form und Solarfelder sind Beiträge zur Erhaltung der Umwelt. Zumindest muss es doch gelingen, jährlich mindestens ein größeres Projekt nicht nur zu planen, sondern auch zu vollenden. Das muss das Ziel des Gemeinderates sein.

Wir wollen auch am Rad für mehr und bessere Radwege drehen. Wenn sich schon das Land gerade in diesem Bereich 2012 stärker finanziell engagieren will, sollten wir rasch auf dieses Fahrrad aufspringen. Der Enztalradweg ist zwischen Calmbach und Wildbad in einem beklagenswerten Zustand. Damit man uns nicht falsch versteht: Wir reden nicht einem umfassenden Ausbau der Richard-Wagner-Straße zu einer Parallelrennstrecke neben der Landesstraße das Wort, sondern der Verbesserung der Situation für die Radfahrer. Alternativ oder zusätzlich muss auch überlegt werden, ob eine Wiederherstellung des Radwegs entlang der Landesstraße und der Bau eines Radwegs in der noch zu schaffenden Enzmeile, quasi als Vorwegmaßnahme, machbar ist. Radwege fehlen auch innerörtlich, vor allem in Calmbach und in Richtung Freibad.

Ein Wort zur Diskussion um einen Nationalpark für Teile des Nordschwarzwaldes: Immer wieder wird, angesichts des zu erwartenden Gutachtens, von Ergebnisoffenheit gesprochen. Zugleich schieben aber Skeptiker sofort nach, dass sie eigentlich dagegen sind. Mit dieser Voreingenommenheit ist eine vernünftige Abwägung nicht möglich. Eines dürfte doch klar sein: Weder die Ausweisung, noch der Verzicht auf einen Nationalpark anstelle des bestehenden Naturparks bedeutet den Untergang des Nordschwarzwalds. Allerdings sehen wir es ähnlich, wie der Naturschutzbund des Landes, der vor wenigen Tagen deutlich gemacht hat, dass ein Nationalpark nur dann sinnvoll ist, wenn das Land dafür zusätzliche Gelder bereitstellt. Wenn Bad Wildbad auf dem Sommerpark damit einen von Ihnen, Herr Mack, gewünschten Baumwipfelpfad, ein von uns ins Spiel gebrachtes Tiergehege mit heimischen Wildtierarten oder ein weiteres Info-Portal finanzieren könnte, würde sich das Ganze schon lohnen. Wir betonen: Wir haben frühzeitig und bisher als Einzige in diesem Gremium einen Bürgerentscheid oder zumindest eine informelle Bürgerbefragung in Form einer Abstimmung ins Spiel gebracht. Wir haben eine hohe Meinung von direkter Demokratie und sind bereit, ein entsprechendes Votum zu akzeptieren – egal wie es ausfällt.

Wenn wir gerade bei direkter Demokratie sind: Mit Demokratie hat weder die Tatsache, dass sehr viele Punkte nichtöffentlich vorberaten werden, noch der Umstand zu tun, dass der Gemeinderat die öffentliche Haushaltsberatung wie der Teufel das Weihwasser fürchtet. Dabei gibt es auch in unserer Stadt Beispiele dafür, dass die öffentliche Komplett-Beratung des Haushaltes erfolgreich ist – nämlich in den ersten Jahren unter dem damaligen Bürgermeister Ulrich Maier. Oder will jemand hier in diesem Saal behaupten, dass die nichtöffentlichen Haushaltsberatungen unter seinen beiden direkten Nachfolgern effektiver waren? Damit die Bürger wenigstens einen ungefähren Überblick über das erhalten, was kommunalpolitisch abgeht, hat die SPD-Fraktion heute einen Antrag eingebracht, jährlich eine Bürgerversammlung zu allgemeinen Themen abzuhalten, abwechselnd in den vier Stadtteilen. Wir werden diesen Antrag nachher bekannt gegeben. Regelmäßige Bürgerversammlungen gab es übrigens schon in Bad Wildbad und gibt es anderswo ständig.

Die Teilkommunalisierung des Staatsbads ist nach langen, aber konstruktiven Gesprächen abgeschlossen worden. Wir haben vor allem deshalb zugestimmt, weil erstens alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter übernommen wurden, weil zweitens eine jährliche Kostenbeteiligung des Landes vereinbart wurde, die realistisch erscheint, weil drittens die Einrichtungen des Landes

nicht in das Eigentum, sondern nur in die Betriebsträgerschaft der Stadt übergegangen sind, weil viertens die Vital-Therme und das Palais Thermal weiterhin in der Zuständigkeit des Landes verbleiben und weil vor allem fünftens eine zunächst zehnjährige Erprobungsphase vereinbart wurde. In dieser Sache, gebührt Ihnen, Herr Bürgermeister, persönlich der Hauptverdienst für diese erfolgreichen Verhandlungen.

Nachdem viele Großprojekte bald abgehakt werden können, finden Sie, Herr Mack, hoffentlich auch Zeit und Energie, sich intensiv in die ganz alltäglichen Sorgen der Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt hinein zu knien. Es ist einfach trostlos, dass für viele dringend nötige Sanierungen von Schulen, Hallen, Sportplätzen, Friedhöfen und Straßen kein Geld vorhanden ist und bestenfalls Merkposten irgendwo in der mittelfristigen Finanzplanung stehen. Angesichts dieser Situation und des enormen Schuldenstandes der Stadt ist es fast schon ein Wunder, dass wenigstens die 41 000 Euro für die Sanierung des Mehrzweckgebäude-Daches in Aichelberg (Kindergarten und Turnhalle) nicht gestrichen wurden, was insbesondere unserer Kollegin Gerda Noack ein Herzensanliegen ist. Nachdem es der SPD-Fraktion für 2011 gelungen war, eine Teilfinanzierung der Sanierung der alten Turnhalle in Calmbach in den Etat aufzunehmen, ist dieses Projekt weder 2011 angegangen noch in diesem Jahr von der Verwaltung wieder in den Haushalt hinein geschrieben worden. Wir haben jetzt in den Vorberatungen wenigstens erreicht, dass das Vorhaben nicht erst 2014 sondern 2013 zum Zug kommen soll. Dann aber wirklich!

Zum Knausern an der falschen Stelle – der Begriff sparen wäre hier falsch angewendet – gehört es auch, wenn wir für 7 Millionen Euro eine tolle neue Bergbahn feiern, in der Bergstation der Bergbahn aber nicht einmal ein Aufzug eingebaut werden soll. Mit dem hoch gelobten Panoramasaal können Körperbehinderte so nichts anfangen. Wir wollen von der Verwaltung wissen: Was soll wann mit dem Gebäude geschehen? Dafür wird dann lustig und ungehemmt Jahr für Jahr sinnlos Geld in das Interkommunale Gewerbegebiet Simmesfeld gepumpt. Die Investionsumlage von 29 400 Euro könnten wir sinnvoller anderswo investieren. Wir wissen, dass beides nichts miteinander zu tun hat, aber das Geld des Steuerzahlers ist es allemal.

Bei der gesamten Verwaltung und dem Gemeinderatskollegium bedanken wir uns für Einsatz, Ideen und Sachlichkeit. Wir wollen mit Margot Käsmann, mit der wir begonnen haben, auch schließen: „Ich bleibe mutig und unverzagt und geradezu neugierig auf das, was kommt.“ Und wenn Sie, Herr Bürgermeister und liebe Kolleginnen und Kollegen, ebenfalls neugierig geworden sind, ob wir dem Haushaltsplan 2012 erneut zustimmen werden, können wir Sie beruhigen. Wir sagen Ja. Aber auch da erheben wir mutig und etwas trotzig wieder unsere Stimme: Das muss nicht immer so bleiben und kann sich spätestens dann ändern, wenn unser Geduldsfaden einmal reißen sollte angesichts der unbestellten Felder neue Energien für diese Stadt und mehr demokratische Mitwirkungsmöglichkeiten für alle.

 
 

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