Nachruf, zum Tode von Erhard Eppler

Persönlicher etwas längerer Nachruf auf Eppler

Mit einem freundlichen Lächeln und einer kurzen, angedeuteten Umarmung empfängt mich Erhard Eppler am Gartentor vor seinem schmucken kleinen Häuschen am Waldesrand  in Schwäbisch Hall. Und  aufrecht  — das Wort darf durchaus in doppeltem Sinne verstanden werden. April 2017: Ein kleines Wunder, dass der politische Quer-, Vor- und Nachdenker wieder auf den Beinen steht. In dem langen, zweieinhalbstündigen Gespräch bei von seiner Ehefrau selbstgebackenem Kuchen, Kaffee und Tee verrät mir der Mann, der mir schon in meiner Jugend zum politischen Vorbild geworden ist: „Vor einigen Wochen lag ich noch kurze Zeit bewusstlos im Krankenhaus.“ Und kurz zuvor musste er wegen einer schrecklichen Migräne einen Auftritt im evangelischen Gemeindehaus Calmbach  zum Reformationsjahr absagen, zu dem ich ihn schlechten Gewissens überredet hatte.
Der  damals 90-Jährige darf einfach nicht sterben. Denke ich damals, sage es aber nicht. Wer kann die messerscharfe Analytik,  die Visionen, die  fast prophetische Sicht der Dinge, die  Zivilcourage und die geschliffene Formulierungskunst des überzeugten Christen und engagierten Umwelt- und Friedenspolitikers jemals ersetzen ?
„Schon in den 70er-Jahren hast Du bei Vorträgen in Calmbach, in Gaststätten wie dem Goldenen Anker, dem Birkenhof und Waldhorn einen Satz gesagt, den ich nie vergessen werde“, überrasche ich ihn  für einen kurzen Moment und zitiere: „Die ungeklärte Frage der Entsorgung von Brennstäben bei Atomkraftwerken ist etwa so, wenn ich einen Piloten nach Afrika schicken würde mit dem Hinweis: Da ist gerade ein Flughafen im Bau und wenn Du Glück hast, kannst Du landen.“ Eppler lächelt und widerspricht kurz: „Das muss aber schon in den 60ern gewesen sein.“ Stimmt. Der Mann vergisst nichts. Schließlich saß der in Ulm geborene, in Schwäbisch Hall aufgewachsene und jahrelang in Dornstetten/Kreis Freudenstadt als Gymnasiallehrer wirkende Sozialdemokrat zwischen 1961 und  1969 für  den Bundestagswahlkreis Calw/Freudenstadt  im Bonner Parlament und nicht in den 70ern. Und ich erinnere ihn daran,  als er 1981 vorne am Mikrofon stand und ich einer von 300 000 Protestierenden war, die sich im Bonner Hofgarten gegen Helmut Schmidts Raketenpolitik empörten.
In Kontakt komme ich mit dem Doktor der Philologie   aber schon als 14-Jähriger. Mein ebenfalls in diesem Jahr als 94-Jähriger verstorbener  Deutschlehrer und Rektor Walter Siebert — ein großer Menschenfreund wie Eppler — lädt den schon 1965 prominenten Politiker zu einer dreiteiligen Vortragsreihe der Volkshochschule über Bismarck nach Calmbach ein. Was interessiert mich Bismarck? Aber mich interessiert Eppler. Und so folge  nur ich als einziger Schüler dieser Einladung. Beim zweiten Vortragsabend  fehle ich. Am nächsten Tag sagt mein Lehrer vor versammelter Klasse: „Erhard Eppler hat gestern gefragt, wo der aufmüpfige, muntere Schüler ist, der beim letzten Mal sich so eifrig eingemischt  hat.“ Eppler mag  die Diskussion mit der rebellierenden Jugend.  Also bin ich beim abschließenden dritten Abend wieder zur Stelle.
Doch wen löchere  ich jetzt ? Wer beantwortet mir nach seinem Tod  die drängenden, ungelösten  Zukunftsfragen ? Mit 92 Jahren ist die Persönlichkeit gestorben, die für mich unsterblich schien — und irgendwie auch bleibt — und in einer Reihe steht mit Humanisten wie Willy Brandt, Gustav Heinemann, Richard von Weizsäcker und Heiner Geißler.

Bruno Knöller, "Aus der Pforzheimer Zeitung." 
 

 

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